Was können
TherapeutInnen oder KlientInnen in der Co-Lehrtherapie erfahren?
Als
Klientin:
Wohl niemand
im Rahmen meiner Ausbildung hat meine tiefsten Ängste, meine „Fähigkeit“ zur
Verzweiflung und auch meine Wut so unmittelbar erleben dürfen wie I.. Ich danke
ihr für ihre Stärke, die ich wohl ahnen musste – sonst hätte ich ihr diese
Ladungen wohl kaum zugemutet. Ich danke ihr, dass unsere gemeinsame Arbeit in
mir so ein starkes Vertrauen wachsen ließen, um mich so authentisch zu zeigen.
So machte ich auf dieser Reise die Erfahrung, zu meinem inneren verlassenen Kind
vorzudringen, und damit zu einer erschreckenden Einsamkeit, die ich Zeit meines
Lebens zu meiden suchte, wie ich heute weiß.
Ich konnte auch erkennen, wie sehr ich mich in meiner Partnerschaft aus
Verlustangst verbiege, übertrieben kompromissbereit bin und meine Bedürfnisse
verleugne oder gar nicht spüren kann. Und ich erkannte auch entlang der
Co-Lehrtherapie-Sitzungen, welche Entwicklungen ich (gerade durch die Trennungen
von meinem Immer-Wieder-Partner) machen musste oder durfte, die ich ohne diese
Trennungserfahrungen nicht vollzogen hätte. Besonders dankbar bin ich Ine dafür,
dass sie mich nach der Trennung im Juli 2007 auffing. Bis zum heutigen Tage
konnte meine Partnerschaft entscheidend dadurch entlastet werden, indem ich in
den Sitzungen zunehmend den „Inneren-Kind-Anteil“ in meinen partnerschaftlichen
Konflikten entschlüsseln konnte und dadurch in die Bewusstheit der Erwachsenen
zurückfand.
Und so kreisten viele der Co-Lehrtherapie-Sitzungen um meine
Verlassenheitsängste in meiner Partnerschaft, um die Verlusterfahrungen nach den
Trennungen von meinem Partner – und, damit in engem Zusammenhang, meine Prägung
durch meine belastete Vaterbeziehung. Diese war immer wieder Thema in den
Sitzungen. Ich blicke auf sehr viel aufgestaute Wut zurück, auf viel Bitterkeit
und Vorwurf an seine verweigerte Liebe, seine Unberechenbarkeit, seine Härte,
seine ständigen Entwertungen und auch seine Gewaltbereitschaft. Dieses Thema
habe ich in den Sitzungen immer wieder (zum Teil heftig) entladen; aufgelöst hat
es sich für mich schließlich während der heilsamen Tagen des Outdoorcamps.
Eine wunderbare Erfahrung war es auch, dass ich bei Ine als meiner Therapeutin
gelernt habe, nichts „leisten“ zu müssen (in Form von Intellekt, „Klugheit“,
Analyse oder Humor), sondern einfach zu SEIN. Und dieses „Sein“ vollzog sich in
seiner schönsten Form, wenn ich einfach schwieg, mich dem Malen hingab und meine
Gefühle auf diese Weise ausdrückte. Dem Malen in den Co-Lehrtherapie-Sitzungen
verdanke ich auch heilige Momente der Trauer, der heißen Tränen, der
zugelassenen Schwäche.
Wenn ich heute zurückblicke, gibt es sehr viele Lebensgebiete, die sich im Laufe
der letzten Jahre verbessert haben: Ich konnte viele Ängste besiegen, ich wurde
authentischer im Umgang mit anderen, mein Selbstwertgefühl und mein
Selbstvertrauen ist gestiegen, mir sind Dramatisierungen schnell bewusst, mein
Konfliktstil hat sich (mit Mühen, aber doch) verbessert, ich habe (durch die
Grenzerfahrung meiner Schlaflosigkeit) einen neuen Zugang zur Spiritualität
gefunden, mein Selbstvertrauen in meine Zukunft als Kunsttherapeutin ist
unerschütterlich und ich schätze zunehmend den einfachen Lebensstil (was eine
befreienden Absage an meinen früheren Materialismus darstellt). Und was den
„Rest“ anbelangt (also noch unerlöste verinnerlichte Ängste, Verbote und
Gebote), sehe ich mich beständig „in Arbeit“.
Alles in allem kann ich mein Leben neu wertschätzen – und ich ahne zunehmend,
was mir meine Themen zeigen sollen: Eine neue innere Ruhe zu finden und (im
Alltag) zu leben. Über die Verlusterfahrungen den alten Schmerz meines inneren
Kindes zu erlösen. Autonom zu werden. Heranzureifen. Erwachsen zu werden.
Ein Dankeschön aus tiefstem Herzen an Ine für die wertvollen Stunden, in denen
ich unter ihrer therapeutischen Fürsorge wachsen durfte! (Z. S. 2010-02-24)
Als Therapeutin
Aus der Arbeit als Co-Lehrtherapeutin von I. nehme ich ebenso viel mit – wenn
dies auch ganz anderer Natur ist:
Ich bin im Laufe der 100 Sitzungen zu einer ganz „passablen“ Kunsttherapeutin
i.A.u.S. herangereift: Ich habe die anfängliche „Doppelbelastung“ des Zuhörens,
Kontakt-Aufnehmens und gleichzeitig Schreibens zu meistern gelernt. Ich habe die
anfängliche Unsicherheit im Intervenieren mit Medien überwunden und zu großer
Souveränität als Therapeutin gefunden. Ich habe gelernt, wirklich zuzuhören –
welche Gedanken mir gleichzeitig auch durch den Kopf gingen oder welche Impulse
mich auch innehalten ließen. Ich habe gelernt, achtsam auf die Bedürfnisse
meiner Klientin einzugehen – vor allem, wenn es um sensible Themen geht. Ich
habe methodische Werkzeuge über „learning by doing“ entwickelt, die sich als
besonders wirksam in ganz bestimmten Situationen oder für ganz bestimmte
Befindlichkeiten erweisen. Und natürlich durfte ich auch Gefühle der
Gegenübertragung kennenlernen, indem ich mich plötzlich in der „Haut“ von
Bezugspersonen befand – was mir ein noch tieferes Verständnis des So-Seins
meiner Klientin ermöglichte.
Ich erkannte im Laufe dieser 100 Sitzungen verschiedene Gesichter des
Widerstands meiner Klientin. Ich bekam eine Ahnung, wie unentdeckte Widerstände
den Fortschritt in der Therapie sabotieren können, weil man wie mit „angezogener
Handbremse“ fährt. Ich begann aber auch, ihn als „große Chance“ sehen, weil mir
ein Widerstand eine Tür weist, die geöffnet sein will. Er ist die Schwelle,
hinter der sich eine große Lösung befindet, er ist das Schild, auf dem steht:
„Große Ernte in Sicht!“. Ebenso wichtig war für mich, die Angst hinter
dem Widerstand zu erahnen – und diese Angst zu respektieren. Ich seh, dass es zu
erkennen gilt, wann die Klientin stabil genug ist, diese Angst zu konfrontieren.
Als elementar empfand ich es, gezielt den ressourcenorientierten Zugang der
ganzheitlichen Kunsttherapie an meiner ersten Klientin zu „erproben“, diesen zu
erweitern oder speziellen Situationen anzupassen – und damit die ganzheitliche
Kunsttherapie immer wieder aufs Neue in ihrer überraschenden Wirksamkeit zu
entdecken.
In diesem Zusammenhang sehr hilfreich habe ich die Arbeit entlang des Programms
„Hoffnung“ erachtet. Das Bewusstmachen von Erwartungen der Klientin, die
Stabilisierung von (sensiblen) Lebensgebieten, das Rehabilitieren bzw. Stapeln
von früheren Ressourcen und das Ausdrücken von Situationen und idealeren Szenen
war ein Geländer, an dem entlang ich auf einen guten Weg geführt wurde.
Als Therapeutin durfte ich im Zuge der Sitzungen erleben, dass ich sogar dann
als Therapeutin „agieren“ kann (im Sinne von Aufmerksamkeit, Empathie, Setzen
von Interventionen, gemeinsames Reflektieren von Prozessen), wenn ich mich in
einem schlechten (in einigen Sitzungen sogar desaströsen) Zustand befinde. Diese
Erfahrung meiner „Ambiguitätstoleranz“ als Kunsttherapeutin kann ich nicht hoch
genug schätzen; diese Gewissheit lässt mich in der Zwischenzeit auch dann
gelassen Sitzungen mit KlientInnen entgegensehen, wenn ich mich nicht wohl fühle
oder in meiner Stimmung gedrückt sein sollte.
Nicht zuletzt sehe ich darin einen Gewinn, welch schöne Gewinne meine
Co-Klientin durch die Sitzungen erfahren hat, in welchen Lebensgebieten sie
Fortschritte und Verbesserungen feststellen kann – weil ich mich an ihrer
Entwicklung freuen kann.
Diese 100 Sitzungen waren mir ein geschützter Raum, in dem ich mich als
Therapeutin entwickeln durfte. Sie waren eine wertvolle Schule, die mich vieles
gelehrt hat, was mir in jeder meiner Sitzungen in meiner eigenen Praxis
hilfreich ist. (Z. S. 2010-02-24)
29.1.2010 (7): Immer wieder spannend wohin ein Thema führen kann. Von
Durchschlafschwierigkeiten hin zu Schnelligkeit versus Langsamkeit. Erkenne
meine Ambivalenz zwischen meinem Wunsch, die Dinge langsamer anzugehen, nicht so
angetrieben zu sein und wenn ich den Wunsch in die Tat umsetze, bemerke ich, wie
sich mein „Bewerter“ einschaltet und dies sofort abwertet. Sofort tauchen
Gedanken auf, wie z.B. langsam-sein ist schlecht, langweilig, etwas nicht zu
können, Image des Verlierens, krank sein, …usw. Wieder ein Glaubenssatz, der für
mich nicht mehr stimmt, aber mich noch immer bestimmt! (G. S.)
45.CO-LT-Therapiesitzung am 02.02.10: Das Du macht es so richtig
lebendig. Da geht es auch um GRENZEN. GRENZEN bringen Klarheit. Mit klaren
Grenzen kann ich gut in meiner Kraft sein. DEINE klaren Grenzen helfen auch mir
gut in meiner Kraft sein zu können. Es gilt immer wieder zu schauen: WAS IST DAS
WAS MIR KRAFT GIBT? ACHTUNG und VERTRAUEN in "seine" Gestaltungsmöglichkeiten
und -fähigkeiten, das ist WERTSCHÄTZUNG. Es geht auch um ein BEWUSSTSEIN im
„Alltag“ der Beziehung. Manches bewusst einmal anders zu machen..... Das ist
sehr erfrischend. Mein Leben kann ich gestalten und es wird so zu meiner
„EIGENMARKE“. (N. J.)
Meine GEWINNE als Klientin der .44. CO-LT-Therapiesitzung am 02.02.10: "Ich
suche mir die passenden Dinge in meinem Leben (zusammen)." Das hat zu tun mit
dem Fokus, mit mehr BEWUSSTSEIN. Es bedeutet (Eigen-)Regie im Leben zu
übernehmen, Kraft gezielt ein zu setzen, Selbstbewusstsein, Wertschätzung und
Eigenverantwortung. Manche Sachen kann ich steuern - manche Sachen weniger.
(N. J.)
Meine
Co-Therapeutin, M. M. und ich, haben unsere Therapie-Einheiten, jeden Dienstag,
einmal bei ihr und einmal bei mir um 16.00Uhr abgehalten. Im Laufe der
gemeinsamen zweieinhalb Jahren Therapiezeit haben wir einander sehr gut kennen-
und schätzen gelernt. Ich habe dadurch eine „Seelenverwandte“ getroffen, die
mich in der Ausbildungszeit durch Dick und Dünn begleitet hat. Als Klientin habe
ich sehr viele Gewinne und Erkenntnisse erzielen können, weil M. mich sehr
aufmerksam durch die Sitzungen begleitet hat. Ich habe erlebt, wie die
verschiedenen bildnerischen und darstellenden Medien, wie Bewegung, Pantomime,
Stimme, Tanz, Malen, Zeichnen, Collagen, Musik und andere, meine Themen
transformieren und umgestalten können. M. hat mich alles im Kreativen betrachten
lassen und das hat mir einen Einblick gegeben, wie es mir gelingt von
eingetrimmten Vorstellungen loszulassen. Ich bin nun weit mehr offener, bereiter
für Neues und ich kann mich auf unvorhergesehene Situationen leichter
einstellen. Ich habe meine Grenzen neu abgesteckt und das Vertrauen zu mir
selbst wieder gefunden. Alte Muster habe ich abgelegt und agiere nun spontaner
und flexibler in jedem Lebensbereich. Meine Kontrollfähigkeit ist angestiegen,
sowie die Bewusstheit auf meine Kompetenz. In den Co-Therapiestunden kann ich
gegen Ende auch über meine Gewahrseinszustände reflektieren, die mir immer
häufiger widerfahren. Als Therapeutin, darf ich miterleben, wie es Monika
gelingt immer wieder Gewinne zu stapeln und neue Perspektiven zu erkennen. Ich
habe dabei gelernt, wie man empathisch mitschwingen kann und auch wie man die
Gegenübertragung von der eigenen Empfindung unterscheidet. Ich konnte üben, wie
man mit den kunsttherapeutischen Werkzeugen, den Medien umgeht und habe diese
bei Monika angewendet. Dabei ist mir bewusst aufgefallen, welche Wirkkräfte sie
besitzen und was sie einschalten und auflösen können. Ich habe in den Sitzungen
Naturmaterialien, Malfarben, Papier, Buntstifte, Ölkreiden, Filzstifte,
Zeitungen, Fotos, Kohle, Graphit, Steckmännchen, Knetmasse, Ton, Figuren,
Musikinstrumente und andere eingesetzt. Aber auch nur mit dem Körper (Bewegung,
Stimme...) hat M. einige ihrer Themen bearbeiten können. Ich bin sehr froh und
dankbar, diese Erfahrungen in der Co-Therapie gemacht zu haben. (S. P. Wien,
03.08.07)
In der Co-Lehr-Therapie war es mir
möglich therapeutischen Beziehungsaufbau kennenzulernen. Mit einer Klientin ein
stabiles, regelmäßiges Setting zu erschaffen, sie einfühlsam und ganzheitlich
mit der Hilfe multimedialer Prozesse durch nahezu vier Jahre ihres Lebens zu
begleiten. Schwierigkeiten der Struktur zu meistern, als Therapeutin da zu
bleiben obwohl diese Probleme in der privaten Beziehung Raum bekamen – sie nicht
auf meine Haltung im Setting Einfluss nehmen zu lassen. Es hat mir die
Co-Therapie den Raum eröffnet, mich im Therapeutinnendasein auszuprobieren,
Erlerntes einzubringen, meine Kreativität im Processing einziehen zu lassen,
meine eigenen Fälle zu bemerken und für die Zeit einer Sitzung draußen zu
halten. Reaktionen auf Interventionen direkt zu erleben und auch anschließend
gefeedbackt bekommen. Wie geht’s dir mit mir? – in die Sitzung nehmen. Aufgrund
der vice-versa-Situation eine Rollenklarheit zu erlangen und nicht hineinkippen
in die Fallen, die eine solche zu bieten hat. Eine langfristige Beziehung zu
erheben, in der auf beiden Seiten alles möglich ist. Erfahrungen mit der
Artikulation von Übertragungen und Gegenübertragungen sammeln können – in diesem
Rahmen die Möglichkeit haben damit spielerisch umzugehen. Tiefe Klientenliebe
erleben, Vermeidungen entlarven, die eigenen Grenzen erspüren und kommunizieren
– die Co-Therapie war für mich ein so wichtiges Modul zum Einsteigen ins Dasein
als Therapeutin. Es war so wertvoll für mich den Emotionen und verschiedenen,
sich laufend verändernden Lebenssituationen meiner Klientin zu begegnen,
Einblicke zu erlangen, Durchbrüche zu bemerken, kleine Gewinne ausreichend
anerkennen, Anteil nehmen an diesen vier aufregenden, herausfordernden,
teilweise überfordernden, gefährdenden, zu bejubelnden, erfreulichen,
spannenden, traurigen, verändernden Jahren ihres Lebens. (K. F.)
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